Ein neues Aufgabenfeld für studierte Pflegefachkräfte
Anja Kröner und Christina Züger
Seit einiger Zeit gibt es universitäre Abschlussmöglichkeiten in der Pflegewissenschaft. Mit diesem fundierten Studium können Pflegefachpersonen auch ärztliche Funktionen übernehmen. Dies ist umso wichtiger, da wir heute unter einem ausgeprägten Ärztemangel leiden. In der Onkologie – und vielen anderen Fachgebieten – ist es kaum möglich, ausreichend Fachärzte zu rekrutieren. Klar definierte Verantwortungsgebiete mit geregelter Kompetenz von Advanced Practice Nurses helfen, eine gute und effiziente Behandlung der Patienten zu gewährleisten.
Christina Züger: Wie hat sich der Einsatz von Advanced Practice Nurses entwickelt?
Anja Kröner: Die Idee von Advanced Practice Nurses, sogenannten APN, entstand in den 1970er- Jahren in den USA. Dort herrschte vor allem in ländlichen Gegenden ein grosser Ärztemangel, sodass man neue Wege gehen musste, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. In den USA, aber auch in England, ist es schon lange möglich, Pflege zu studieren und mit einem Bachelor, Master oder Doktortitel abzuschliessen. Diese sehr gut ausgebildeten Pflegefachpersonen können klar definierte ärztliche Aufgabengebiete in verschiedenen Fachrichtungen übernehmen. In der Schweiz ist diese Entwicklung noch deutlich jünger, ein Studium in Pflege gibt es erst seit 2001, womit die Rolle einer APN noch nicht etabliert ist. Das führt dazu, dass im Moment noch nicht ganz klar ist, wer sich überhaupt APN nennen darf und welche Aufgaben diese übernimmt. Oft wird das individuell mit dem Arzt festgelegt.
Anja Kröner: Wie sieht das Einsatzgebiet bei uns in der Onkologie aus?
Christina Züger: Bei uns wird die ärztliche Betreuung durch die APN noch weiter gefasst. Nach der Bestimmung der Therapie mit den entsprechenden Patientengesprächen durch den Onkologen übernimmt die APN die weitere Betreuung, welche insbesondere die Durchführung der Therapien und die nachfolgenden Konsultationen umfasst. Die Gesamtverantwortung liegt immer beim Arzt, da die Pflege nicht als eigenständige Berufsgruppe anerkannt wurde.
Anja Kröner: Wie hat sich die Zusammenarbeit aus deiner Sicht als Ärztin und mit mir in der Funktion als APN in der Onkologie nach gut sechs Monaten entwickelt?
Christina Züger: Da es keine Vorgaben oder Stellenbeschreibungen gibt, wie eine APN arbeitet, was sie übernehmen kann und was nicht, mussten wir die Stelle sehr personenbezogen bestimmen. Es war sicher gut, dass wir eine Zeit lang sehr eng zusammengearbeitet haben. So habe ich schnell gesehen, wie viel Verantwortung ich dir übergeben kann. Einige ärztliche Tätigkeiten, wie beispielsweise Berichte diktieren, waren für dich neu. Andere Tätigkeiten, wie das Symptommanagement von Chemotherapien, kanntest du schon sehr gut. Ich bin mit der Etablierung der Rolle bei uns im Kantonsspital Glarus sehr zufrieden.
Christina Züger: Welche Wege gibt es, eine APN zu werden?
Anja Kröner: Wie schon gesagt, ist der Titel hier in der Schweiz nicht geschützt. Grundsätzlich ist die Voraussetzung aber sicher ein abgeschlossener Master in Nursing Science. Ein Doktorat ist sehr hilfreich, aber kein Muss. Was neben der akademischen Ausbildung das Wichtigste ist, ist die klinische Spezialisierung auf einem Fachgebiet. Neben der Fähigkeit, wissenschaftlich zu arbeiten, braucht es also auch sehr viel klinische Erfahrung.
Anja Kröner: Gibt es noch andere Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz, die mit APN zusammenarbeiten?
Christina Züger: Ja, das höre ich immer wieder in Weiterbildungen von Kolleginnen und Kollegen. Beim Nachfragen habe ich aber schnell gemerkt, dass die APNs dort fast nie ärztliche Tätigkeiten, sondern einfach spezielle pflegerische Aufgaben übernehmen. Allerdings ist der Mangel an Fachärzten auch in grossen Universitätsspitälern ein Thema, sodass es möglicherweise auch dort in Zukunft mehr solche Modelle mit ärztlich tätigen Pflegenden geben wird.
Christina Züger: Auch für dich ist dies eine ganz neue Rolle mit einem neuen Aufgabengebiet. Würdest du diesen Weg weiterempfehlen?
Anja Kröner: Das hängt immer von der jeweiligen Person und ihren Vorstellungen ab. Für mich war dies nach dem Abschluss meines Doktorats die einzige Karriere-Option, da ich immer auch klinisch mit Patienten arbeiten wollte. Deshalb ist diese Stelle für mich persönlich ein Glücksfall. Es braucht aber immer einen Arzt oder eine Ärztin, die so visionär denkt wie du und bereit ist, neue Wege zu gehen.
Anja Kröner: Ist die Zusammenarbeit mit einer APN auch eine Entlastung in der klinischen Praxis für dich?
Christina Züger: Eine gut ausgebildete APN bringt in vielerlei Hinsicht eine Entlastung. So können wir trotz steigender Patientenzahl eine kompetente Behandlung sicherstellen. Neben der Unterstützung in der klinischen Tätigkeit können durch ihren Einsatz auch die Patienteninformationen und das Qualitätsmanagement verbessert werden.
Im Gespräch
Dr. med. Christina Züger ist seit zwölf Jahren Leitende Ärztin Onkologie am Kantonsspital Glarus. Nach langjähriger oberärztlicher Tätigkeit in innerer Medizin, folgte die Ausbildung zur Onkologin am Universitätsspital Zürich.
Dr. Anja Kröner, PhD, übernimmt als APN ärztliche Aufgaben auf der Medizinischen Onkologie. Nach der Ausbildung als Pflegefachfrau machte sie die Fachausbildung in Onkologie, studierte dann an der Universität Basel Pflegewissenschaften und schloss mit dem Master in Nursing Science ab. Anschliessend erlangte sie den Doktor in Pflegewissenschaft (PhD) an der Universität Witten/Herdecke.
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